Süßer Vogel Hoffnung


Vogelgesang empfängt den Besucher im Konstanzer Rathaushof. Ein Kuckuck ruft. Auf der Bühne sitzen die Protagonisten von Wolfgang Amadeus Mozarts „Zaide“ in venezianischen Masken und zwitschern. Doch es sind keine bunten Paradiesvögel und ihr Käfig ist nur im übertragenen Sinne golden: Gleißend weiß präsentieren sich Kulisse (Mario Ferrara) und Kostüme (Dana Horvat-Schaller) zur Kammeroper 2008. Und ein lichtes Spiel auf der Bühne wie im Orchestergraben wird den Abend zu einem kurzweiligen und poetischen Erlebnis werden lassen.

Peter Bauer, künstlerischer Leiter und Dirigent der Kammeroper, hat ein Gespür für Raritäten des Repertoires. Mozarts „Zaide“ ist da ein Glücksgriff: Sie vereint die Zugkraft des großen Namens mit musikalischer Qualität und lässt als Fragment der Regie großen kreativen Spielraum. Tanja Weidner vom Berliner Ensemble nutzt ihn und fügt der Geschichte um die versklavten Europäer im Serail von Soliman eine lyrische Ebene hinzu, eine ästhetisch reizvolle Welt der Zauberworte mit Gedichten vom abendländischen Goethe bis zum morgenländischen Rumi, die das Geschehen reflektieren und gleichzeitig darüber hinausweisen.

Zwei „Fremde“, die Schauspieler Juliane Gregori und Henning Kober, sind die virtuosen Wortführer der Poesie und bringen den Text bisweilen zu einer sprachlichen Dichte, die den Zuschauer fast überfordert. Denn nicht immer erschließt sich die Funktion dieser lyrischen Einschübe und einfach aufdröseln lässt sich die Konstanzer „Zaide“ daher nicht. Die spannende Frage, ob das Ganze nun gut oder schlecht endet, bleibt so letztlich offen. Zumindest ein Gemetzel findet nicht statt in jenem weißen Käfig, in dem es zwischenzeitlich nicht nur zu munterem Geflatter, sondern auch zu Gewalttätigkeiten kommt.
Ein schwarzer Revolver wandert bedrohlich zwischen den Fronten hin und her, Zaides Vergewaltigung wird angedeutet. Zum Schluss allerdings greifen die Spieler wieder zu ihren Masken und führen das Geschehen zu seinem Ausgangspunkt. Es siegt die Poesie mit einer arabischen Parabel vom cleveren Papagei, der sein Herrchen überlistet und so Freiheit erlangt. Ein Hinweis zumindest. Es siegt vor allem die Musik Mozarts, die mit einer solchen Leichtigkeit gespielt und gesungen wird, dass zumindest akustisch alle Ketten gesprengt werden.

Dort singt eine Nachtigall: Sonja Mäsing ist nicht nur optisch und gestalterisch eine Idealbesetzung für die Zaide. Fast ohne Vibrato und mit sehr viel Risikobereitschaft führt sie ihren schlanken, mühelosen Sopran in höchste Höhen. Dagegen hat es Partner Ilja Werger ein wenig schwer: Als Gomatz zeigt er zwar stimmliche Brillanz und viel heldenhaftes Potenzial, dennoch wirkt sein Tenor gepresst, sein Spiel nicht wirklich frei. Felipe Peiró wechselt als Allazim die Fronten, gibt zunächst mit Bart und Knarre den Vertreter einer lateinamerikanischen Militärjunta, rattert in gnadenlosem Spanisch seine Gewaltlitanei herunter. Doch wird er schließlich von der Lieb‘ entwaffnet und rasiert – und darf dann auch in lyrischem Wohlklang schwelgen, was seinem angenehmen Bass gut steht. Und noch ein Bass macht eine recht gute Figur: Axel Humbert als geschäftstüchtiger Sklavenhändler Osmin.

Stimmlich eine besondere Präsenz hat allerdings der böse Bube in diesem Spiel um Leidenschaft und Freiheit: Martin Erhard als Sultan Soliman mit einem so agilen wie kraftvollen Tenor. Mit der Arie „Ich bin so bös‘ als gut“ hat er eine echte Glanznummer – da muss schon eine Zaide kommen, um dem „Tiger“ in einem großartigen Auftritt seine Todesurteile vor die Füße zu werfen

Viel Aktion also auf der winzigen Bühne, die Mario Ferrara mit Türen versehen hat, deren Ausgänge zunächst durch Papierbahnen verschlossen sind – ein hermetisch abgeschlossener Raum also, den die Gefangenen erst im zweiten Teil aufbrechen. Licht und Schatten werden vor diesem Hintergrund zum Symbol der Auseinandersetzung, einziger Farbtupfer ist ein Strauß roter Rosen – und die beiden Spielzeug-Vögelchen, die die Hauptdarsteller auf ihren Händen flattern lassen. Süßer Vogel Hoffnung.
Autor: Bettina Schröm, 15.08.08

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